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Landeseitung 06.02.2016

March 23, 2016

Die Gesänge des Albatros

 

IM STRUDEL DER RACHE DAS LICHT

March 22, 2016

Es war schon sehr gewagt, was Olaf Schmidt, Ballettdirektor in Lüneburg, sich da vorgenommen hatte: Die Umsetzung der 458 vor Christus geschriebenen dreiteiligen Tragödie „Orestie“ des griechischen Dichters Aischylos in Tanz, mit einem zehnköpfigen Ensemble, auf einer vergleichsweise kleinen Bühne. Es ist das zweite Mal, dass dieses Stück für Ballett adaptiert wird, das erste Mal wagte es Joachim Schlömer 1993 in Ulm. Im Original umfasst das Werk drei Abende, die hintereinander gespielt werden – Olaf Schmidt beschränkte sich auf die wesentlichen Handlungsstränge und komprimierte das ganze auf zweimal eine Stunde.

Die „Orestie“ markiert eine wichtige Grenze aus der Zeit des ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn’ und den demokratischen Strukturen der Gesellschaft heute. Zu Aischylos Lebzeiten gab es noch keine Gerichtsbarkeit, Selbstjustiz war normal. Und so verstrickt sich auch das Haus Atreus in einen Strudel der Rache: Agamemnon opfert seine Tochter Iphigenie, damit die Götter endlich günstige Winde für seine Fahrt nach Troja schicken. Iphigenies Mutter Klytämnestra ermordet deshalb Agamemnon nach seiner siegreichen Rückkehr aus dem trojanischen Krieg, und als Kollateralschaden fällt ihrer Rachsucht auch noch die Seherin Kassandra zum Opfer, die Agamemnon als seine Geliebte mitgebracht hatte. Noch in Agamemnons Abwesenheit hatte sich Klytämnestra Aegisth zum Mann genommen und zum König gekrönt. Elektra, Tochter von Klytämnestra und Agamemnon, hasst Aegisth und verzweifelt schier am Tod ihres Vaters, ihr Bruder Orest verlässt das Haus und geht in die Fremde. Chrysothemis, die dritte und jüngste Tochter, ist mit ihrer kindlichen Heiterkeit der Gegenpol zur hasszerfressenen Elektra. Als Orest schließlich zurückkehrt, überzeugen ihn Gott Apollon und dessen Freund Pylades, den Tod des Vaters zu rächen und Klytämnestra zu ermorden. Widerstrebend fügt sich Orest in dieses Schicksal: „Du hast getan, was man nicht tun durfte – erleide nun, was man nicht tun darf.“ Er fühlt sich jedoch schuldig und besudelt und wartet nun seinerseits darauf, von den Göttern für den Mord an der Mutter gemeuchelt zu worden. Jedoch – es kommt anders. Pallas Athene veranlasst ein Gerichtsverfahren, weil sie findet, dass Schuld und Unschuld hier zu dicht zusammenliegen, und Orest wird freigesprochen. Es ist der Beginn des demokratischen Rechtssystems und der vom Volk geschaffenen Regierungsinstrumente und damit eines neuen Zeitalters der Menschheit.

Olaf Schmidt verdichtet diese komplexen Handlungsstränge zu einer gut verständlichen Abfolge und findet deutliche Anspielungen auf die Gegenwart – zum Beispiel indem er Agamemnon zum coolen Banker mit Aktenköfferchen und Anzug macht. Dankenswerterweise verzichtet er nahezu komplett auf Kunstblut, obwohl das Stück nun wahrlich von Blut nur so trieft. Stattdessen verwendet er große schwarze Tücher und eine Art Handkantenschlag, um einen Mord zu verdeutlichen. Die Rachegötter der Erynnien verkörpern immer wieder die Emotionen, die zwischen den Menschen aufwallen – vor allem im Bösen. Fliegende Kostümwechsel hinter der Bühne (eine Meisterleistung von Garderobieren und Maske!) ermöglichen es, dass so ein vielschichtiges und personenstarkes Epos auch mit zehn TänzerInnen zu bewerkstelligen ist.

Vollkommen überzeugend ist die Bewegungssprache, die Olaf Schmidt für die komplizierten Handlungsstränge findet: dynamisch, kraftvoll und doch auch ungemein sensibel und fragil, am deutlichsten zu erkennen in einem grandiosen Pas de Deux für Elektra und ihre ungleiche Schwester Chrysothemis zur Musik von Isoldes Liebestod von Richard Wagner. Wallace Jones ist ein ebenso herrschsüchtiger wie zerbrechlicher Agamemnon, Giselle Poncet eine furiose Klytämnestra, Harumi Washiyama eine zerbrechliche und doch mutig in ihr Schicksal gehende Iphigenie, Phong Le Thanh verleiht seinem Orest eine starke Dynamik, Claudia Rietschel gibt eine in ihrer Verzweiflung tief berührende Elektra, Mara Sauskat brilliert in der Doppelrolle als Kasssandra und Chrysothemis – kurzum: Das gesamte Ensemble überzeugt auf ganzer Linie.   .  .  . ...more info

Landeszeitung

March 22, 2016

Landeszeitung

March 22, 2016

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Theater Lüneburg

EIN BALLETTWUNDER VOR DEN TOREN HAMBURGS

March 24, 2016

Dass eine Kleinstadt wie Lüneburg sich ein Drei-Sparten-Theater leistet, ist in Zeiten der Geldknappheit im Kulturbereich schon eine Sensation für sich. Was Olaf Schmidt dort jedoch seit zwei Jahren im Wortsinne auf die Füße stellt, nimmt schon die Dimension eines kleinen „Ballettwunders“ an. Jüngstes Beispiel dafür ist seine Version von Tschechows „Drei Schwestern“. Schmidt gelingt es hier, die Melancholie und Sehnsucht, aber auch die morbide Antriebslosigkeit des russischen Bürgertums am Vorabend des 20. Jahrhunderts in eine durch und durch überzeugende Bewegungssprache umzusetzen.

Dramaturgisch greift Schmidt zu dem Kunstgriff, Tschechow selbst als schwindsüchtigen, an seinem Stück und sich selbst stets zweifelnden Dichter durch das Stück geistern zu lassen. Er schafft damit ein Bindeglied zwischen den verschiedenen Protagonisten, vor allem den drei so verschiedenen, in ihrer Gier nach einem heiteren, heilen Leben aber auch so ähnlichen Schwestern und ihren diversen Liebhabern bzw. Ehemännern. Ihm gelingen hier nicht nur wunderbar expressive Soli und Pas de Deux, sondern ebenso höchst dynamische, mitreißende Ensembles. Das ist Choreografen-Hand- und Fußwerk vom Feinsten.

Aber jede noch so gekonnte Choreografie verpufft in ihrer Wirkung, wenn sie von den Tänzern nicht adäquat umgesetzt wird. Olaf Schmidt hat dafür ein zehnköpfiges, exquisites Ensemble zur Verfügung, das nicht nur technisch makellos ist, sondern auch darstellerisch zu überzeugen vermag. Allen voran Katerina Vlasova als Mascha und Kilian Hoffmeyer als ihr Liebhaber Werschinin – beide verlassen jedoch das Lüneburger Ballett zum Ende dieser Spielzeit und wollen sich anderen Aufgaben zuwenden. Schade. Aber es bleiben ja noch die nicht minder expressive Mara Sauskat, die hier die Rolle der jüngsten Schwester, Irina, übernommen hat, und Claudia Rietschel, die schon seit 2010 zum Ensemble gehört und in den „Drei Schwestern“ die Olga verkörpert.

Und dann ist da noch Harumi Washiyama als Natascha, diese grazile Japanerin, der Olaf Schmidt ihre asiatische Identität belässt und sie mit einer geisha-ähnlichen Hochsteckfrisur auf die Bühne schickt. Heimlich, still und leise, aber zielstrebig und eiskalt reißt sie nach und nach die Macht im Haus an sich. Als sie es geschafft hat, lässt Schmidt sie ein triumphierendes Solo in Spitzenschuhen tanzen – während das Stück sonst durchgehend in Tanzsocken bestritten wird, die Bodennähe vermitteln und keine Höhenflüge zulassen....................

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March 22, 2016

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March 22, 2016

Tanz um eine grosse Liebe

 

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March 22, 2016

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